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AutorenbildMatti Geyer

"Gab es in Leipzig auch eine Berliner Mauer?" - die witzigsten Fragen an einen Berliner Stadtführer

"So - do you live in Berlin?" - Wenn ich jedes Mal einen Cent bekäme, wenn mir diese Frage gestellt wird, wäre ich ein reicher Mann. Denn obwohl diese Frage naheliegend erscheint, wird sie mir immer wieder gestellt. Als Stadtführer bin ich es gewohnt, auch auf skurrile Fragen zu antworten. Doch die häufigste Frage ist tatsächlich die nach meinem Wohnort. Es scheint fast so, als würden die Leute erwarten, dass ich täglich aus München, Köln oder sogar aus Amerika nach Berlin komme, um für ein paar Stunden Touristen zu unterhalten. Den Beruf des Tourguides übe ich bereits seit vielen Jahren aus, sowohl für kleine als auch große Gruppen, und ich kann ihn nur wärmstens empfehlen. Es ist eine Gelegenheit, Menschen aus aller Welt zu treffen und ihnen die faszinierende Geschichte Berlins näherzubringen. Häufig führe ich englischsprachige Schüler- und Studentengruppen, und sie stellen oft die amüsantesten Fragen.



Bei diesen Führungen sorgt zunächst die fremde Sprache für Verwirrung. Das zeigt sich besonders oft, wenn die Besucher zum ersten Mal den Heißluftballon am Checkpoint Charlie sehen, auf dem der Name einer großen Zeitung prangt. Die... Die... Warum fordert dieser Ballon unseren Tod? Natürlich ist jedem bewusst, dass Deutsch eine Fremdsprache ist, aber anscheinend vergessen einige das beim Wort "die" immer wieder.


Es ist leicht vorstellbar, dass gerade das Thema Nationalsozialismus viele Fragen aufwirft. Der History Channel verbreitet täglich Halbwissen über Adolf Hitler, sodass Besucher aus Großbritannien und den USA oft davon überzeugt sind, dass Hitler nach Argentinien oder sogar auf den Mond geflohen ist. Einmal wurde ich sogar gefragt, ob Hitler eigentlich eine Frau war, eine Frage, die ich verneinen musste. Außerdem wollten Gäste wissen, ob man Hitlers Geist auf dem Parkplatz über seinem Bunker sehen kann, ob die pinken Rohre in der Stadt Überreste der Gaskammern sind; ob die Einschusslöcher in den Wänden von Fäusten stammen und ob das Dritte Reich heute geöffnet ist. Einmal wollte sogar jemand wissen, ob auf dem Bebelplatz immer noch Bücher verbrannt werden. Das Thema Reenactments kommt sowieso immer mal wieder zur Sprache. In den USA wird gerne der Bürgerkrieg nachgestellt, daher sollte es meine Kollegin nicht überrascht haben, als sie nach Reenactments im KZ Sachsenhausen gefragt wurde.


Einmal hatte ich sogar einen echten Neonazi auf einer Tour. Sie war Britin, und erst nach und nach wurde klar, dass ihre Weltanschauung verzerrt und widerlich war. Schließlich wollte sie von mir wissen, warum ich vom Kommunismus und Kapitalismus spreche, als wären es zwei verschiedene Dinge, obwohl beides nur jüdische Konzepte seien, die uns von einer Weltregierung ablenken sollen. Am Ende musste ich sie mit Hilfe anderer Touristen von der Tour ausschließen. Monate später wurde mir ein Link zu einem antisemitischen Verschwörungs-Blog zugespielt, in dem ausführlich über meine Tour berichtet wurde. Die Autorin kam tatsächlich zu dem Schluss, dass ich ein Undercover-Agent des Mossad sein müsse, da ich ihren Antisemitismus auf der Tour verurteilt und widerlegt hatte. Das ist bis heute die verrückteste Geschichte, die mir als Stadtführer passiert ist.


Viel harmloser sind die Fragen zur Mauer. Verwirrte Besucher stellen oft Fragen darüber, warum Hitler seine Kanzlei im Osten gebaut hat, obwohl er den Kommunismus nicht mochte. Als erfahrener Stadtführer weiß ich, dass die Sichtung jeglicher Mauern in Berlin unweigerlich die Frage aufwirft, ob es sich um DIE Mauer handelt, auch wenn es sich in Wahrheit um einen Gartenzaun handelt. Doch zum Glück gibt es auch immer wieder clevere Touristen, die ihre eigenen Lösungen für den Ost-West-Konflikt parat haben. Denn warum sind die Leute damals nicht einfach um die Mauer herumgegangen? Wenn wir das nur früher bedacht hätten! Und warum hat die DDR-Regierung nicht statt einer Mauer einen Graben mit Krokodilien angelegt, wollte einmal eine Australierin wissen. Besonders schön war jedoch die Frage, ob es in Leipzig auch eine Berliner Mauer gegeben hat.


Auch die Geschichte Potsdams darf nicht unerwähnt bleiben. Bei Rundgängen durch Potsdam ist es jedoch nicht Friedrich der Große, der das größte Interesse weckt. Am häufigsten werde ich nach Baumarten gefragt, was mich als Historiker tatsächlich überfordert. Lieber habe ich die Frage beantwortet, ob die Hunde Friedrichs des Großen noch am Leben sind.


Trotz allem ist es ein wunderbarer Beruf, bei dem man die tollsten und interessantesten Menschen kennenlernt - von denen die allermeisten keine abstrusen Fragen stellen. Und selbst wenn, dafür bin ich ja da! Auch wenn ich mir manchmal ein Lächeln nicht verkneifen kann, wenn wieder jemand nach dem nächsten Hard Rock Café fragt, um eine Berlin-Tasse zu kaufen oder (und ja, das ist mir tatsächlich passiert) bei McDonald’s einkehren will, um die "lokalen" McBurger zu probieren.


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