Die Gartensiedlung Zehlendorf soll auf die Welterbeliste, so haben die Kultusminister gerade entschieden. Doch auch in der Oranienburger Straße in Mitte und in Tempelhof stehen Gebäude von enormer historischer Signifikanz.
Die Neue Synagoge
Es hätte Berlins viertes UNESCO-Welterbe werden sollen: Das Hansaviertel in Tiergarten zusammen mit der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain und Mitte. Aber daraus wird vorerst nichts; der Vorschlag wurde von einem Fachbeirat der Kultusministerkonferenz abgelehnt.
Dabei hat Berlin durchaus noch Welterbepotenzial. Neben der Museumsinsel, den preußischen Schlössern und Gärten und den Siedlungen der Moderne hätte auch die Neue Synagoge in Mitte gute Chance auf einen UNESCO-Status, und zwar als Teil einer transnationalen Bewerbung. Zum einen hatte gerade Deutschland in den letzten Jahren großen Erfolg mit jüdischen Welterbestätten: 2021 bekamen die SchUM-Stätten von Speyer, Worms und Mainz und in diesem Jahr das jüdisch-mittelalterliche Erbe von Erfurt den begehrten UNESCO-Status. Zum anderen würde es gerade zum jetzigen Zeitpunkt ein starkes Signal senden, wenn Berlin sich für sein jüdisches Erbe starkmacht.
Die Neue Synagoge erfüllt dabei durchaus die Kriterien, um eine Aufnahme in die Liste zu rechtfertigen. Im 19. Jahrhundert wurden Juden in Preußen größtenteils rechtlich gleichgestellt. Die jüdische Gemeinde Berlins war im Jahr 1860 auf etwa 28.000 Menschen angewachsen. 1866 wurde daher die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße gebaut – für 3000 Gläubige war es eine der größten Synagogenbauten der Welt und ein Ausdruck für das jüdische Selbstbewusstsein der Zeit. Zum ersten Mal konnten Juden in Berlin ohne Angst und ohne Vorschriften bauen – auch wenn Kaiser Wilhelm I. darauf bestand, dass die Synagoge nicht höher werden dürfe als der alte Berliner Dom. Architekt Eduard Knoblauch entschied sich für einen orientalischen Stil, der in seiner Fremdheit ebenjenen Mut ausdrückte, sich endlich nicht mehr verstecken zu müssen. Besonders inspiriert wurde er von der Alhambra in Granada.
Damit reit sich die Neue Synagoge ein in eine ganze Liste von jüdischen Gotteshäusern, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa und Nordamerika im sogenannten neomaurischen Stil entstanden. Dieser Stil wurde als Sinnbild für das sogenannte „goldene Zeitalter“ der Juden im muslimischen Spanien des Mittelalters angesehen, in dem Juden sich relativ frei entfalten konnten. Da es aufgrund zahlreicher Restriktionen vor dem 19. Jahrhundert in Preußen und im Großteil Europas keine „jüdische“ Architektur gab, griffen viele Architekten auf den neomaurischen Stil zurück, der somit zum länderübergreifenden Ausdruck jüdischer Emanzipation wurde. Wer bereits in Budapest war, wird nicht an der Großen Synagoge (1859) mit ihren Zwiebeltürmen vorbeigekommen sein. In Prag stehen die Spanische Synagoge (1868) und die bunte Jerusalemsynagoge (1906). Auch in Kiew, Antwerpen, Pilsen, Turin, Liverpool und sogar in New York gibt es bis heute eindrucksvolle Beispiele dieses Baustils.
Nur in Deutschland sucht man neumaurische Synagogen vergebens, obwohl in München die sogar die allererste dieser Art stand. Sie wurden in der Reichsprogromnacht am 9. November 1938 zerstört. Einzig die Neue Synagoge in Berlin überstand diese Nacht dank des damaligen Reviervorstehers, Wilhelm Krützfeld, der sich der SA entgegenstellte und mit Verweis auf den Denkmalschutz des Gebäudes die Feuerwehr rief, die dann sogar den Brand löschte. Die Neue Synagoge kann also auch als Symbol des Widerstands gegen den Nationalsozialismus angesehen werden.
Als Teil einer transnationalen Bewerbung der neomaurischen Synagogen Europas und Nordamerikas als Zeichen der jüdischen Emanzipation hätte sie gute Chancen, Berlins nächste UNESCO-Weltkulturerbestätte zu werden.
Die Mutter aller Flughäfen
Der Flughafen Tempelhof in Berlin, Deutschland, ist zweifellos eine der markantesten architektonischen und historischen Stätten der Stadt. Seit seiner Eröffnung im Jahr 1923 hat dieser Flughafen eine reiche Geschichte erlebt und eine beeindruckende Architektur bewahrt. Der renommierte britische Architekt Norman Foster beschrieb ihn einst als "Die Mutter aller Flughäfen".
Tempelhof war nicht nur ein Flughafen, sondern auch Schauplatz bedeutender historischer Ereignisse. Während der Zeit des Nationalsozialismus spielte er eine zentrale Rolle im Luftverkehr und diente als Kulisse für Propaganda-Veranstaltungen. Während der Berliner Luftbrücke 1948-1949 wurde Tempelhof zu einem Symbol der Freiheit und der Zusammenarbeit zwischen den Westmächten, als sie die Stadt durch die Luft versorgten, um die sowjetische Blockade zu überwinden.
Tempelhof war einst das flächenmäßig größte Gebäude der Welt, was seine architektonische Bedeutung weiter unterstreicht. Es war nicht nur ein Flughafen, sondern auch ein multifunktionales Zentrum. Als einer der ersten Flughafenbauten seiner Art beherbergte er Hotel, Kongresszentrum, Restaurant und Geschäfte. Diese vielseitige Nutzung machte Tempelhof zu einem lebendigen Ort, der nicht nur Reisende, sondern auch Besucher aus verschiedenen Bereichen anzog.
Als Norman Foster den Flughafen Tempelhof als "Die Mutter aller Flughäfen" bezeichnete, brachte er damit seine Anerkennung für die architektonische Bedeutung und den historischen Einfluss dieses Gebäudes zum Ausdruck. Foster, selbst ein renommierter Architekt, war beeindruckt von der kühnen Gestaltung und der funktionalen Eleganz von Tempelhof, die ihn zu dieser aussagekräftigen Beschreibung inspirierte. In der Tat ist der Flughafen Tempelhof nicht nur ein Ort des Luftverkehrs, sondern auch ein kulturelles und historisches Wahrzeichen, das die Geschichte Berlins und der Luftfahrtindustrie widerspiegelt. Seine Bedeutung erstreckt sich über Architektur und Technologie hinaus und symbolisiert Freiheit, Zusammenarbeit und Innovation.
Heute ist das Tempelhofer Feld mehr als nur ein historisches Relikt. Nach der Schließung des Flughafens im Jahr 2008 wurde das Gelände zu einem öffentlichen Park umgewandelt und ist zu einem beliebten Erholungsgebiet für Berliner und Touristen geworden. Das weitläufige Gelände bietet eine vielfältige Palette an Freizeitmöglichkeiten, darunter Radfahren, Skaten, Drachenfliegen und Picknicken. Die Landebahnen dienen als Lauf- und Radwege, während die ehemaligen Flugzeughangars für verschiedene kulturelle und sportliche Veranstaltungen genutzt werden. Das Tempelhofer Feld ist nicht nur ein Ort der Erholung, sondern auch ein lebendiger Treffpunkt, der die Vielfalt und Lebensfreude Berlins widerspiegelt. Trotzdem wird immer wieder eine Bebauung des Tempelhofer Feldes in Erwägung gezogen. Nicht nur deshalb gibt es derzeit eine Petition, den Flughafen Tempelhof als UNESCO Weltkulturerbe zu nominieren. Die historische und architektonische Signifikanz hätte er.
Comments